Mittwoch, 13. Juni 2007
Chemische Kriegsführung beim Geschlechterkampf
Video "Haddaway - What is Love?" von Youtube
Weibliche Kopuline setzen männliches Beurteilungsvermögen Schach matt
Von Rolf Froböse
Wien (medizin-welt) – Napoleon Bonaparte gehörte zu denjenigen Männern, die etwas herbere Duftnoten bevorzugten. Als er einmal von einem Feldzug heimkehrte, ließ er seiner Joséphine über einen verlässlichen Boten einen Brief zukommen. „Nicht waschen – komme in drei Tagen“, soll darin gestanden haben. Hasste Napoleon es etwa, bei der Heimkehr eine Wäscheleine vorzufinden? Die Historiker sind sich ausnahmsweise darüber einig, dass er damit etwas anderes zum Ausdruck bringen wollte ...
Viele Menschen glauben, parfümiert am attraktivsten zu wirken. Aber stimmt das wirklich? Professor Karl Grammer vom Wiener Ludwig-Boltzmann-Institut für Stadtethologie konnte nachzuweisen, dass der Duft, der Männer anmacht, keineswegs aus der Parfümflasche oder dem Deoroller stammt. In ihrer Studie hatten Grammer und seine Mitarbeiter zuvor 66 junge Männer Kopuline schnüffeln lassen. Chemisch betrachtet bestehen Kopuline aus einem Gemisch kurzkettiger Fettsäuren. Sie befinden sich im weiblichen Vaginalsekret, wo sie sich vermehrt in verschiedenen Zyklusphasen – vor der Menstruation, während der Menstruation und während des Eisprungs – auftreten.
Die männlichen Versuchsteilnehmer inhalierten entweder eine von drei synthetischen Kopulin-Mischungen oder eine Wasserprobe. Dabei enthielten die drei synthetischen Proben jene spezifischen Fettsäuremixturen, die den unterschiedlichen Zyklusphasen entsprachen. Alle Proben waren in einem Inhalator auf Körpertemperatur aufgewärmt. Die Kopulin-Proben waren mit 0,4 Promille in Wasser so stark verdünnt, dass die Männer keine bewusste Geruchswahrnehmung hatten. Während der Inhalation wurden Portraitphotos von fünf verschiedenen Frauen beurteilt. Die Bilder stammten aus einer anderen Studie und waren so ausgewählt, dass die Attraktivität der Frauen von relativ gering bis sehr hoch anstieg. Die Versuchspersonen gaben vor und nach der Inhalation eine Speichelprobe ab, um den Testosteronspiegel messen zu können.
Während bei der Gruppe, die lediglich Wasserdampf schnüffelte, der Testosteronspiegel leicht absank, war in der Kopulingruppe ein Anstieg des Hormonwertes zu verzeichnen. Und zwar völlig unabhängig davon, wie attraktiv die jeweilige Frau auf dem Foto eingestuft worden war. Erstaunlicherweise bewirkte die für den Eisprung charakteristische Fettsäuremischung außerdem, dass die Attraktivität der Frauen in den Augen der Männer ausgeglichen wurde. Die weniger begehrenswerten Frauen gewannen an Attraktivität, am stärksten gewann die am wenigsten attraktive Frau.
Offenbar findet eine Art chemische Kriegsführung zwischen den Geschlechtern statt, die auf einer Ebene abläuft, die kognitiv nicht zugänglich ist. „Lässt man einen Mann Kopuline riechen, so bricht seine Fähigkeit, die Attraktivität einer Frau zu beurteilen, anscheinend völlig zusammen“, folgert Grammer aus seinem Experiment.
Kopuline sind streng genommen keine Pheromone. Allerdings bewirken sie eine Hebung des Testosteron-Niveaus bei Männern um bis zu 150 Prozent, wie nachfolgende Versuche zeigten. Diese natürlichen aromatischen Säuren haben eine entspannende Wirkung auf Männer. Da diese Pheromone am stärksten in der fruchtbaren Phase des weiblichen Zyklus sind, kann ihr Vorkommen durch jedes hormonelle Ungleichgewicht drastisch vermindert werden. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn sich die Frau in den Wechseljahren befindet oder „die Pille“ einnimmt. Zugleich stellt sich die Frage, weshalb ausgerechnet ein entspannender Duft auf Männer einladend wirken soll? Auch für dieses Phänomen hat Grammer eine plausible Erklärung parat. „In unserer zivilisierten Gesellschaft ist Stress die Hauptursache von Impotenz“, erläutert der Experte. Kopuline erleichterten es den Männern, innerlich Abzuschalten und dadurch Spannungen abzubauen.
Die Existenz der Kopuline bestätigt die Rolle der nonverbalen Kommunikation bei der Partnerwahl über den Geruchsinn. Bei verschiedenen Tieren, wie etwa dem Rhesusaffen, wurden Sexuallockstoffe, die den Kopulinen ähneln, bereits sehr viel früher nachgewiesen. Diese werden bei ihnen allerdings weniger mit der Nasenschleimhaut aufgenommen, sondern in viel stärkerem Maße durch das Jacobsonsche Organ in der Nasenscheidewand. Offen bleibt bislang, wie Männer Kopuline wahrnehmen. Einige Wissenschaftler - darunter der Pheromon-Entdecker David Berliner - halten das Jacobson Organ, welches auch als vomeronasales Organ bezeichnet wird, für des Rätsels Lösung. Forscher der Universität Dresden fanden allerdings heraus, dass offenbar nur zwei Drittel aller Menschen über dieses Organ, bei dem es sich um ein Relikt aus der Frühzeit der Evolution handelt, verfügen. Und häufig entdeckten Wissenschaftler das Organ im Gegensatz zum Tierreich nur auf einer Nasenseite, nicht beidseitig.
Quelle:
Gabriele und Rolf Froböse: „Lust und Liebe – alles nur Chemie?“ Wiley-VCH Verlag,
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