Montag, 13. September 2010

Lesen bildet das Gehirn

Buchlektüre schult Konzentration und Einfühlungsvermögen. Sie kann sogar dem geistigen Abbau im Alter vorbeugen

Aus: Gehirn&Geist, Oktober 2010

Simsen, Chatten, Surfen und Emailen haben inzwischen das Bücherlesen von der Liste der Lieblingsbeschäftigungen der Deutschen verdrängt – so das Ergebnis einer Studie der Stiftung Lesen von 2008. Dabei wird heute insgesamt kaum weniger gelesen und geschrieben als früher. Gewandelt hat sich aber das Wie: Zunehmend werden Texte nicht mehr eingehend studiert, sondern nur noch überflogen und häppchenweise konsumiert. Über die möglichen Risiken dieses Trends berichtet das Magazin Gehirn&Geist in seiner neuen Ausgabe (10/2010).

Regelmäßiges Lesen verbessert laut Forschern nicht nur bei Kindern den Signalaustausch zwischen verschiedenen Hirnregionen. Erwachsene profitieren ebenso davon: Wie Studien zeigen, stärkt Lesen unter anderem die Fähigkeit, geistig in andere Rollen zu schlüpfen und bei der Sache zu bleiben. Senioren, die viel lesen, bleiben länger geistig fit und zeigen seltener Symptome einer Demenz. Wie lässt sich das erklären?

"Die Fähigkeit zu lesen verändert das Gehirn", betont Stanilas Dehaene, Hirnforscher am Collège de France in Paris, im Interview mit Gehirn&Geist. Schon das Entziffern einzelner Wörter aktiviert zahlreiche Gebiete im Denkorgan, vor allem in der linken Hirnhälfte. Beim Lesen von Szenen und Geschichten simuliert das Gehirn das fiktive Geschehen, etwa die Handlungen der Romanfiguren. Beim Lesen von Geschichten simuliert das Gehirn regelrecht das Geschehen: So regt sich beispielsweise vermehrt der prämotorische Kortex, der für höhere geistige Leistungen und Perspektivwechsel wichtig ist, wenn die Romanfigur mit einem neuen Gegenstand hantiert.

Das könnte auch der Grund sein, warum eifriger Konsum von Belletristik häufig auch mit besseren sozialen Fähigkeiten einhergeht. Das bewies unter anderem eine Untersuchung kanadischer Psychologen von der University of Toronto aus dem Jahr 2006: Probanden, die gerne in Romanen schmökerten, konnten sich nicht nur nach eigener Auskunft besser in Geschichten und Figuren hineinfinden, sondern schnitten auch beim Empathietest besser ab.

Über Gehirn&Geist:
Gehirn&Geist ist das Magazin für Psychologie und Hirnforschung aus dem Verlag Spektrum der Wissenschaft. Es erscheint seit 2002, mittlerweile in 10 Ausgaben pro Jahr. Fundiert und allgemein verständlich berichten Wissenschaftler und Fachjournalisten in Gehirn&Geist über die Welt im Kopf. Schwerpunkte liegen dabei auf Psyche und Verhalten, Wahrnehmung und Bewusstsein, Intelligenz und Kreativität, Gefühle und Gedächtnis. Neue Erkenntnisse und Trends in der Psychotherapie und Medizin gehören ebenso dazu wie gehirngerechtes Lernen, Kindererziehung, Coaching und gesellschaftliche Debatten. Daneben informieren spezielle Sonderhefte ausführlich über Einzelthemen.

Die Homepage http://www.gehirn-und-geist.de mit aktuellen Nachrichten, Newsletter und dem kompletten Heftarchiv runden das redaktionelle Angebot ab. Das Weblog http://www.brainlogs.de ist das größte deutsche Blogportal für Psychologie und Neurowissenschaften, in dem Experten und Laien diskutieren.

Zu den rund 100 000 Lesern gehören Mediziner, Therapeuten, Manager, Lehrer, Eltern, Studenten und Interessierte, die sich umfassend, kompetent und aus erster Hand informieren wollen. Das erfolgreiche Konzept von Gehirn&Geist stand Pate für zahlreiche ausländische Schwestermagazine unter anderem in Italien, Spanien, Frankreich, Brasilien, Belgien und den Niederlanden. Mit "MIND" eroberte ein weiterer Ableger von Gehirn&Geist sogar den hart umkämpften Zeitschriftenmarkt in den USA.