Mittwoch, 13. April 2011

Gasotransmitter - Giftige Geister

Gift als Botenstoff im Gehirn? Das gibt es tatsächlich! In unserem Körper fungieren die hoch toxischen Gase Stickstoffmonoxid, Kohlenmonoxid und Schwefelwasserstoff als so genannte Gasotransmitter – sie regulieren unter anderem den Blutdruck sowie Lern- und Gedächtnisvorgänge.

Aus: Gehirn&Geist, Mai 2011

Sie gehören zu den giftigsten Substanzen, die wir kennen: Bereits geringe Konzentrationen der Gase Stickstoffmonoxid, Kohlenmonoxid und Schwefelwasserstoff können tödlich wirken. Um so erstaunlicher ist, dass der menschliche Körper diese Substanzen mit Hilfe von Enzymen selbst produziert und als universelle Botenstoffe einsetzt. Über die Wirkungen der Gasotransmitter berichten die Physiologen Anton Hermann, Guzel Sitdikova und Thomas Weiger an der Universität Salzburg in der neuen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins "Gehirn&Geist" (5/2011).

Alle drei Gasotransmitter sind unter anderem an Lern- und Gedächtnisvorgängen im Gehirn beteiligt, indem sie die Freisetzung anderen Moleküle beeinflussen. Im Gegensatz zu "normalen" Hirnbotenstoffen, die jeweils nur punktuell wirken, wandern die wasser- und fettlöslichen Gase nahezu ungehindert durch das Gewebe und erreichen so sehr viele Zellen. Selbst ihre Toxizität machen sich die Gasotransmitter zu Nutze – als hoch wirksames Gift gegen eindringende Krankheitserreger.

Stickstoffmonoxid (NO) war das erste der drei Gase, bei dem eine physiologische Wirkung nachgewiesen werden konnte. Bereits in den 1980er Jahren fanden die US-Forscher Robert Furchgott, Louis Ignarro und Ferid Murad heraus, dass NO den Blutdruck entscheidend beeinflusst – eine Entdeckung, die die Stockholmer Akademie 1998 mit dem Medizin-Nobelpreis würdigte und die schließlich zur Entwicklung des Potenzmittels Viagra führte. Nahezu die gleichen Signalpfade wie NO nutzt auch Kohlenmonoxid (CO). Schwefelwasserstoff (H2S) hingegen, das giftigste der drei Gase, greift in andere Prozesse ein: Es kontrolliert direkt Ionenkanäle an Muskel- und Nervenzellen und beeinflusst so deren Erregbarkeit.