Mittwoch, 13. April 2011

Gewichtige Gene

Unser Gewicht ist zu einem überraschend großen Teil genetisch bedingt

Aus: Gehirn&Geist, Mai 2011

Übergewichtigen wird meist selbst die Schuld an ihrer Körperfülle zugeschrieben. Hand aufs Herz, haben Sie nicht auch schon einmal gedacht, die mollige Nachbarin sollte besser mit dem Fahrrad zum Einkaufen fahren, statt immer ins Auto zu steigen? Ganz so einfach ist die Sache aber nicht, berichtet das Wissenschaftsmagazin Gehirn&Geist in seiner neuen Ausgabe (Heft 5/2011). Denn auch wenn sich Ernährung und Bewegung natürlich auf unser Körpergewicht auswirken, sind diese Faktoren nicht alles.

Ob wir dick oder dünn sind, ist uns zu einem gewissen Teil in die Wiege gelegt, wie Studien belegen. Wissenschaftler gehen davon aus, dass Gene zu 50 bis 70 Prozent die Varianz des Körpergewichts ausmachen. Sie scheinen sogar zu bestimmen, wie sich das Fett in unserem Körper verteilt, ob wir es also eher am Bauch bunkern oder an Hüfte, Po und Oberschenkel in die Breite gehen.

Der amerikanische Genetiker Jeffrey Friedman mit seinem Team an der Rockefeller University in New York Mitte der 1990er Jahre eine Genmutation auf. Sie kodierte für eine veränderte Bauanleitung für ein Hormon, das die Forscher Leptin nannten – vom griechischen Wort leptos für »mager«. Das Hormon ist für das Sättigungsgefühl verantwortlich und reguliert auf diese Weise die Nahrungsaufnahme.

Allgemein gilt: Je höher der Leptinspiegel, desto größer die Fettmasse der betreffenden Person. Allerdings steuert das Hormon wohl nicht nur das Hungergefühl. Seine wesentliche Aufgabe liegt offenbar darin, den Körper an Hungerzustände zu adaptieren. So sorgt ein Abfall des Leptinspiegels etwa im Rahmen einer erfolgreichen Diät dafür, dass der Stoffwechsel herunterfährt, wenn der Körper weniger Nahrung bekommt.

Die Arbeitsgruppe des Mediziners Johannes Hebebrand von der Universität Duisburg-Essen fand in der DNA von fettleibigen Kindern und Jugendlichen häufig Veränderungen im MC4R-Gen. Bei fast einem Prozent aller stark Übergewichtigen sitzt die Mutation an einer bestimmten Stelle. Statistisch schlagen solche Fehler bei Männern im Erwachsenenalter mit rund 13 Extrakilo verglichen mit dem Durchschnitt zu Buche, Frauen schleppen sogar 28 Kilogramm zusätzlichen Ballast.

Die Summe solcher Effekte sollte man nicht unterschätzen: Gleich einem akribischen Buchhalter scheint unser Körper sämtliche positiven und negativen Auswirkungen seiner Erbanlagen aufzuaddieren – und kommt so zum individuellen Sollgewicht. Die Suche nach einem einzigen Dickmachergen scheint somit müßig. Der Schlüssel zum Gewicht liegt sicher nicht in der Mutation eines spezifischen Erbfaktors. Vielmehr dürfte in der Regel eine Vielzahl von individuellen Abweichungen im Genom unterm Strich unsere Figur prägen.