Wissenschaftler aus der Donaumetropole können das hohe Infektionsrisiko an künstlichen Gelenken deutlich senken - neuer Knochenzement könnte weltweit hunderttausende Folgeoperationen verhindern.
Regensburg (obx - medizin-welt) - Ob Knie oder Hüfte - immer mehr Menschen sind im Alter auf künstliche Gelenke angewiesen. Rund 350.000 Prothesen werden an deutschen Kliniken jedes Jahr eingesetzt, Tendenz steigend. Doch das Infektionsrisiko an den Kunstgelenken ist hoch. Allein in der Bundesrepublik kommt es jährlich in über 5000 Fällen zu schweren Entzündungen an Prothesen mit medizinischen Folgekosten von mehr als 200 Millionen Euro. Regensburger Forscher haben jetzt einen Knochenzement entwickelt, der die Ansteckungsgefahr an künstlichen Gelenken um das zehnfache senken kann. Der Clou: Die Wissenschaftler haben den herkömmlichen Zement zur Fixierung von Prothesen im wahrsten Sinne des Wortes "versilbert". Ein speziell entwickeltes "Nanosilber" aus kleinsten Partikeln des Edelmetalls soll künftig dauerhaft Keime an den infektionsanfälligen Kunstgelenken abtöten und so weltweit hunderttausende Folgeoperationen ersparen. Schon in zwei Jahren könnte die neue Wunderpaste aus der Domstadt auf dem Markt kommen.
Entwickelt haben den neuen Knochenzement die auch auf die Herstellung von Nanosilber spezialisierte Regensburger Firma "rent a scientist" in Kooperation mit der Orthopädischen Klinik der Universität Regensburg und der Medizintechnikfirma "aap biomaterials". Der Vorteil des "versilberten" Knochenzements: Durch das fest in den Zement eingebundene antibakterielle Nanosilber können auch noch Jahre nach einer Operation Keime, die sich an den eingesetzten Kunstgelenken ansiedeln wollen, abgetötet werden. Die herkömmlichem Knochenzement beigemischten Antibiotika sind dagegen schon kurz nach einer Operation aus dem Bindemittel ausgewaschen.
Bakterien lieben besonders künstliche Oberflächen und siedeln sich bevorzugt an neuen Gelenken an. Das gilt auch für Erreger, die unabhängig von der Operation erst Jahre nach einer Gelenk-OP beispielsweise an einem eiternden Zahn oder durch eine Schürfwunde in den Körper gelangen. Das in Regensburg entwickelte Nanosilber soll das Infektionsrisiko an Prothesen künftig deutlich senken. Die antibakteriellen Silberpartikel haben die Größe von einem millionstel Millimeter, das entspricht dem Verhältnis des Durchmessers einer CD zu dem der Erde. Das Nanosilber zerstört die Zellen von schädlichen Keimen und erschwert den Erregern das Andocken am Kunstgelenk.
Die antibakterielle Wirkung von Silber ist schon seit Jahrtausenden bekannt. Bereits die alten Römer lagerten Silbermünzen im Wasser, um es rein zu halten, und auch der Grieche Hippocrates soll als berühmtester Arzt des Altertums schon Silberpulver gegen Geschwüre eingesetzt haben. Heute sind die Regensburger Wissenschaftler von "rent a scientist" weltweit führend bei der Entwicklung von Nanosilber. Das in der Domstadt perfektionierte Produkt ist offizielles Testmaterial der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und wird in Forschungsprojekten rund um den Globus verwendet.
Wenn der neue Regensburger Knochenzement alle Zulassungsverfahren durchlaufen hat, könnte die "Silber-Paste" schon in etwa zwei Jahren auf den Markt kommen. Während die rund 40 Gramm herkömmlichen Knochenzements, die zum Fixieren einer Knieprothese benötigt werden, einen Materialwert von etwa 120 Euro haben, könnte der "Silber-Zement" Schätzungen zufolge das drei- bis vierfache kosten.