Freitag, 18. Dezember 2009

Familie: Eltern als Entwicklungsmotor

Werden Heimkinder frühzeitig in Pflegefamilien vermittelt, lassen sich Entwicklungsdefizite ausgleichen. Das ergab eine Feldstudie amerikanischer Forscher in Rumänien

Aus: Gehirn&Geist, 1-2/2010


Frühkindliche Erfahrungen prägen uns ein Leben lang. Deshalb kann die Vernachlässigung von Säuglingen und Kleinkindern langfristige Schäden verursachen – etwa wenn ihnen sprachliche und geistige Anregung sowie Kontakt zu engen Bezugspersonen verwehrt bleiben. Das Magazin Gehirn&Geist (Heft 1-2/2010) berichtet in seiner neuen Ausgabe über ein Feldexperiment in Rumänien, das die frühkindliche Entwicklung im Heim mit der in Pflegefamilien verglich. Fazit: Typische Defizite von Heimkindern lassen sich in der Obhut von Adoptiveltern teilweise ausgleichen. Je jünger das Kind bei der Vermittlung ist, desto besser.

Ein Team um Charles A. Nelson von der Harvard Medical School in Boston (USA) hatte 136 Kinder aus Bukarester Kinderheimen in zwei Gruppen aufgeteilt: Die eine Hälfte wurde im Alter von 6 bis 31 Monaten in Pflegefamilien vermittelt, während die andere zunächst im jeweiligen Heim verblieb. Als weitere Vergleichsgruppe dienten 72 gleichaltrige Kinder, die bei Ihren leiblichen Eltern aufwuchsen.

Die Heimkinder lagen anfangs in ihrer Entwicklung deutlich zurück: Ihre Intelligenz und Sprachfähigkeiten waren vermindert und sie zeigten eher unsicheres Bindungsverhalten gegenüber den Betreuungspersonen. Doch ihr weiteres Schicksal war damit keineswegs besiegelt. In fast jedem der untersuchten Bereiche holten die in Pflegefamilien vermittelten Kinder im Laufe der folgenden Jahre den Entwicklungsvorsprung ihrer Altersgenossen zumindest teilweise auf.

Der Zeitpunkt der Vermittlung spielte dabei eine wichtige Rolle: So stieg die Intelligenz von Kindern, die mit höchstens zwei Jahren zu Pflegeeltern gekommen waren, stärker als die der später vermittelten Kinder. Ähnliches galt für die Entwicklung der Sprachkompetenz. Im Alter von zweieinhalb und dreieinhalb Jahren war der Spracherwerb bei Heimkindern sowie solchen, die erst kurze Zeit bei Pflegeeltern lebten, erheblich verzögert. Wer dagegen mindestens ein Jahr in einer Pflegefamilie gelebt hatte, hinkte dem normalen Altersdurchschnitt nur im Grammatiktest noch leicht hinterher.

Inwieweit sich ein Mangel an Zuwendung und Anregung ausgleichen lässt, hängt offenbar entscheidend davon ab, in welchem Alter die betreffenden Kinder Erfahrungen nachholen können.

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