Psychische Störungen gehen oft mit Hirnveränderungen einher. Eine Therapie kann diese normalisieren. Der Blick ins Gehirn hilft dabei nicht nur, bestimmte Erkrankungen besser zu verstehen – er erleichtert es auch, wirksame Behandlungen zu entwickeln.
Aus: Gehirn&Geist, 1-2/2010
"Gehirn und Psyche sind zwei Seiten derselben Medaille", sagt die Neuropsychologin Herta Flor vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim. Die Wissenschaftlerin berichtet im Magazin Gehirn&Geist (Heft 1-2/2010) über die neusten Entwicklungen in der Psychotherapieforschung.
Für viele Störungen wie Ängsten, Süchten oder chronischen Schmerzen spielen unbewusste Lernprozesse eine wichtige Rolle. Bei einer Reihe seelischer Leiden verselbständigen sich diese. Patienten mit einer Posttraumatischen Belastungsstörung beispielsweise gelingt es häufig nicht, wiederkehrende Erinnerungen an erlebtes Unglück zu kontrollieren. Eine Psychotherapie der Störung zielt darauf, die Übergeneralisierung der Angst zu lösen.
Wegweisende Untersuchungen gibt es auch zu Menschen mit soziopathischer Persönlichkeit. Sie kennzeichnet ein Mangel an empathischer Einfühlung und moralischen Skrupeln, weshalb die Betreffenden häufig straffällig werden oder sich sozial unverträglich verhalten. Mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanztomografie (fMRT) fand das Team um Herta Flor zusammen mit Tübinger Forschern den Grund dafür: Die Betreffenden können negativen Konsequenzen ihres Tuns schlechter vorhersehen. Sie aktivieren im Gegensatz zu Gesunden nicht jene Areale, die maßgeblich zur emotionalen Bewertung von Reizen beitragen. Diese mangelnde Erregbarkeit kann erklären, warum sie selbst aus harten Sanktionen wie Gefängnisstrafen nichts lernen. Um ihnen zu helfen, wäre es erforderlich, gerade die unteraktiven "Gefühlszentren" im Gehirn stärker anzuregen.
Dabei kommt neuerdings auch Neurofeedback zum Einsatz: Ein Computer registriert individuelle Hirnstrommuster und Durchblutungsveränderungen des Gehirns (mittels EEG oder fMRT) und wandelt diese in optische oder akustische Signale um. Anhand dieser Rückmeldung lernen die Betreffenden, nicht genutzte Hirnareale gezielt zu aktivieren.
Mit bildgebenden Verfahren lassen sich laut Flor therapeutisch relevante Hirnveränderungen nachweisen. Das erhöht auch die Akzeptanz einer Behandlung unter Patienten und ihren Angehörigen. Vergleichende Studien belegen, dass Gespräche und Verhaltenstrainings unter fachkundiger Anleitung der Medikamentengabe zumeist ebenbürtig, oft sogar überlegen sind. Worte und Taten können also die Psyche verändern – und gleichzeitig auch das Gehirn.
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